Dienstag, 28. Februar 2017

Bemerkungen zum Klima-Desaster des Jahres 2020 in der Klein-Klima-Region Weilmünster-Weilburg

14. September 2020

Redaktion, Fotos und Design :

Dipl. Biol. Peter Zanger


Auf die besondere klimatische Situation der Region des Hinter-Taunus wurde bereits in einer früheren Publikation des Botanischen Gartens des CID Institutes hingewiesen. In den Anmerkungen zur hydrologischen Phänomenologie der Weil wurde in der Schriftenreihe Natur des Weiltales im November 2015 der Aspekt des periodischen vollständigen Austrocknens des Oberlaufes der Weil besonders hervorgehoben und dessen potentielle Ursachen diskutiert. Dabei wird die relative regionale Niederschlagsarmut in Sommermonaten im Naturraum zwischen Taunuskamm und Lahn allerdings als nicht aussergewöhnlich oder als erst neuerdings auftretendes Phänomen betrachtet. 

Nach mehreren weiteren extrem trockenen Jahren ist die gegenwärtige Situation der natürlichen Wasserversorgung der regionalen Natur durch Regenfälle nunmehr im September 2020 allerdings auf einem Höhepunkt angelangt, der Anlass zur Besorgnis begründet, denn wären die ausbleibenden Regenfälle des Jahres 2020 Folge eines länger anhaltenden, allgemeinen Klimawandels, so müsste auf Grundlage der heutigen Situation an eine grundlegende Umstellung des Nahrungsmittelanbaues in unserer Region gedacht werden.

Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes DWD ist 2020 für das Bundesland Hessen zwar insgesamt noch kein extrem trockenes Jahr, doch existiert für die erwähnte Region eine Aufmerksamkeit erregende, überdurchschnittliche Negativ-Abweichung vom Normalwert der durchschnittlichen Regenmenge. Für den Standort des Botanischen Gartens in Weilmünster bedeutet dies beispielsweise, dass die Niederschlagsmenge im Monat August zwischen 50-70% unter dem Normalwert liegt. Dieser Normalwert berechnet sich aus dem Mittelwert der zwischen 1961 und 1990 gemessenen monatlichen Niederschlagsmengen im Vergleichsmonat. Ähnliche Extremabweichungen wie in Limburg-Weilburg treten ansonsten in Hessen nur in den Regionen Frankenberg und Gross Gerau auf.



Karte der Abweichungen der monatlichen Niederschlagsmengen vom Normalwert im August 2020 für Hessen. Der Standort des Botanischen Gartens des CID Institutes in Weilmünster ist mit einem blauen Pfeil markiert und befindet sich in einer Region mit Regen-Defizit von bis zu 70%. Quelle : DWD Klimatalas für Deutschland      


Die Gesamt-Niederschlagsmenge vom 1. Januar bis 31. August 2020 lag in Weilmünster bei 380,7 Liter pro Quadratmeter, ein Wert der Vergleichswerten in semi-ariden Regionen nahekommt. Besonders trocken waren die Monate Mai (27,7 l/qm), Juni (63 l/qm), Juli (17,1 l/qm) und August (23,4 l/qm). Für September kündigen sich derzeit ähnlich extrem niedrige Regenmengen-Werte an. 






Klima-Diagramme mit Niederschlagsmengen und Regentagen in Weilmünster für die Monate Mai-August 2020.


Notwendigerweise werden diese aussergewöhnlich niedrigen Regenmengen Konsequenzen für die Fruchtproduktion der spätblühenden Pflanzen haben und somit nicht nur die wilde Natur sondern auch die Ertragsmengen der "Zweiten Ernten" in Landwirtschaft und Gartenbau  sowie den Obstanbau haben, wenn diese letzteren die natürlichen Wasserverluste nicht durch künstliche Bewässerungen ausgleichen können.

Zwar regnete es in den vergangenen 4 1/2 Monaten zumindestens in Wochenabständen immer wieder kontinuierlich, doch sind die geringen Regenmengen ungenügend um den Pflanzen ausreichend Kraft durch Feuchtigkeit zum Überstehen der nachfolgenden Trockentage zu geben. Zudem ändert sich die chemisch-physikalische Kondition des Bodens während langanhaltender Trockenheit. Besonders die Erde tonhaltiger Böden verbackt unter Dauerhitze zu einem steinharten Konglomerat ähnlich vorgebranntem Ton und verliert so anhaltend ihre natürliche Wasserspeicherkapazität, so dass geringe Regenmengen auf dem Blattwerk der Pflanzen oder der trockenen Bodenoberfläche verdunsten und nicht bis zu den Wurzel vordringen können. 

Aber nicht nur die Wasserversorgung der Pflanzen wird durch Dauertrockenheit gestört. Bodenlebewesen können sich in der steinhart ausgedörrten Erde kaum noch fortbewegen und ernähren und vertrocken ebenso wie die Pflanzen der Krautschicht. Dies hat nicht nur Folgen für die Bodenfruchtbarkeit sondern für die Existenz der für die Vermehrung der Pflanzen durch Bestäubung wichtigen Insekten. Insektenarten deren Larven sich im Boden verpuppt hatten können nicht mehr schlüpfen und fallen als lebenswichtige Katalysatoren der Fruchtbildung aus.

Im Botanischen Garten des CID Institutes in Weilmünster sowie seinen direkt angrenzenden Grünflächen ist die Insekten-Präsenz seit August 2020 praktisch Null. Vollständig fehlen Tagfalter, Coleopteren, Libellen und Hymenopteren mit Ausnahme der gemeinen Wespe Vespula germanica. Das Fehlen der Insekten begründet sich wie bereits erwähnt mit den ariden Bodenverhältnissen sowie desweiteren mit dem Trockenheits-Folgeschaden der stark reduzierten bis gänzlich fehlenden Blütenbildung der unbewässerten Sommer-Blüten-Pflanzen. Aride Bodenverhältnisse, mangelnde Blütenbildung und fehlende Wasseraufnahmestellen haben somit aktuell ein vorübergehendes lokales Aussterben genau der Tierarten bewirkt, die als Bestäuber für die Fruchtbildung der Nutzpflanzen unverzichtbar sind. 

Als konkretes Beispiel aus dem Botanischen Garten wird hier die Situation der Kürbisgewächse (Cucurbitaceae) angeführt. Seit Wochen wurden bei Kontrollen an keiner einzigen Blüte der Kürbis- und Zucchini-Pflanzen Insekten registriert. Folgerichtig hat auch bisher noch kein einziger Blütenansatz dieser Nutzpflanzen trotz ausreichender künstlicher Bewässerung mit der Fruchtbildung begonnen.



Insekten-freie Zucchini-Blüte ohne Fruchtbildungsansatz


Der Botanische Garten des CID Institutes ist dank seines Charakters eines Arboretums, dessen Bäume die Bodenvegetation stark beschatten, gegen totales Austrocken durch extreme Sonneneinstrahlung bei fehlendem Regen besser geschützt als seine Umgebung. Nachteilig für die Vegetation wirken sich allerdings die ungünstigen Mikro-Bodenverhältnisse aus sowie die Tatsache, dass geringe Regenfälle vom Blattwerk der Bäume absorbiert werden und nicht auf den Boden gelangen. Seit Juli 2020 dominiert so im Baumpark ein "Herbstaspekt" mit wegen Wassermangel von den Bäumen vorzeigt abgeworfenen, vertrockneten Blättern. Fruchtbäume wie Apfel und Pflaume zeigen massiven, verfrühten Fruchtfall bei reduzierter Fruchtgrösse.




Herbstaspekt nach Trockenheits-bedingtem, verfrühten Laubabwurf




Vorzeitiger Fruchtfall bei Pflaume und Apfel


Weitaus dramatischer gestaltete sich die gegenwärtige Situation auf dem Botanischen Garten benachbarten Grünlandflächen. Auf einer angrenzenden, zuletzt im Juni 2020 gemähten Wiese dominiert ein Aspekt arider Steppenlandschaften mit verdörrter Krautschicht und fehlendem Grasaufwuchs, so dass in diesem Jahr die sonst für Oktober 2020 erwartete zweite Mahd ausfallen wird. In früheren Jahren trotz Trockenheiten und Niederschlagsmangel auf dieser Wiesenfläche regelmässig blühende Doldenblütler, die in Spätsommermonaten die einzige Nahrung für blütenbesuchende Insekten bildeten, sind in diesem Jahr in ihrem Wuchs stark reduziert und verkümmert und weisen nur sogenannte "Jammer-Blüten" auf, an denen jeglicher Insektenbesuch fehlt. 


Jammerwuchs-Doldenblüte mit reduzierter Blütenbildung auf Grünland 


Reduzierte Steppen-Wuchsform eines Doldenblütlers


Arides Grünland Mitte September 2020 nach Mahd im Juni 2020



Vertrocknete Krautschicht einer Wiese Mitte September 2020


Günstig gestalten sich die gegenwärtigen Klimaverhältnisse allerdings für bisher nicht-einheimische Pflanzenarten aus tropischen Regionen. So sind die starke Sonneneinstrahlung und die relative Trockenheit kein Hindernis für das Wachstum beispielsweise der Süsskartoffel Ipomoea batata. Eine erste Experimentalpflanzung einer "Batata" im CID Institut Mitte August 2020 zeigt nach nur 4 Wochen eine erfreuliche Entwicklung dieses Neophyten im Vergleich zu sogenannten "einheimischen" Fruchtpflanzen.



Süsskartoffel Ipomoea batata im CID Institut am 16.8.2020



Süsskartoffel Ipomoea batata im CID Institut am 14.9.2020







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