Dienstag, 28. Februar 2017

Symbiose von Hefepilzen oder selbständiges Lebewesen ? - Die eindrucksvollen Körperformen der Wein-Mütter

Grosser Beliebtheit erfreut sich heutzutage ein Getränk, das als Stoffwechselprodukt des organischen Wirkens des sogenannten "Tee-Pilzes" betrachtet werden kann. Weltweit besser bekannt als "Kombucha", "Tea-Funghus" oder "Scoby" handelt es sich dabei um ein Fermentations-Getränk, das aus Fruchtsäften oder Tee durch Zugabe eines Medusen-ähnlichen Pilzes hergestellt wird, dessen Metabolismus einen Gärprozess bewirkt in dessen Rahmen Zucker und Fruchtalkohol umgewandelt werden und organische Säuren - insbesondere Essigsäure - und Enzyme entstehen, die sich förderlich auf das Wohlbefinden des menschlichen Organismus auswirken sollen. 

Verantwortlich für die Aufwertung des Ausgangsgetränkes Tee oder Fruchtsaft ist nach Volksmeinung "der Pilz", der für die Hausmacher Getränkeproduktion weiterverschenkt oder gekauft, vermehrt und dann wieder weiterverschenkt wird. Sein Name ist vielfältig, denn er wird als Symbioseprodukt unterschiedlicher Hefepilze sowie Glucose- und Hefebakterien betrachtet, welche die Bio-Wissenschaft naturgemäss einer Art zuzuordnen versucht. Diese wird gegenwärtig als Medusomyces gisevii bezeichnet und trägt im Deutschen den Namen Mandschurischer Teepilz (Manchourian Mushroom) oder Kombucha-Pilz

Weinzüchtern sind ähnliche Pilz-Phänomene aus der häuslichen Weinzubereitung bekannt, allerdings werden sie dem Wein nicht unbedingt absichtlich hinzugefügt, sondern entstehen sozusagen als Nebenprodukt der alkoholischen Gärung beim Umwandlungsprozess des Weintrauben-Press-Saftes in alkoholhaltigen Wein, wenn eine bestimmte Kombination von Hefe-Bakterien Zugang zu dem Fruchtsaftansatz erhält und dieser über die nötigen Nährstoffe verfügt, welche der Pilz in seinem Stoffwechsel dann umwandeln kann. Nach Lehrmeinung handelt es sich dabei um Zucker - natürlichen Fruchtzucker oder künstlich zugeführten Zucker - und Alkohol, welche dann vom Pilz abgebaut und unter anderem zu Essigsäure vergärt werden sollen. Soweit ungefähr der allgemeingültig akzeptierte Kenntnisstand.

Wein-Mütter, Essig-Mütter oder Kombucha-Pilze wachsen zuerst an der Oberfläche des vergärenden Fruchtsaft- oder Tee-Ansatzes. Dieser natürliche Entstehungsprozess verläuft folgendermassen :

  • Der Essigpilz (Bacterium aceti / Bacterium pasteurianum) bildet auf dem Essig eine Decke, nimmt den Sauerstoff aus der Luft auf und überträgt ihn an den Alkohol.. Gleichzeitig wird er dabei überwuchert von dem sogenannten Kahm-Pilz (Mycoderma vini), der ebenfalls eine Decke auf der Flüssigkeit bildet, aber keinen Essig erzeugt, sondern die Fruchtsäuren des Essigs oxidiert. Dadurch entsäuert er das Essiggut und macht es so zu einem geeigneteren Nährboden für den Essigpilz. Eine Symbiose von Hefen und Pilzen also, die so bei der Weinessig-Entstehung abläuft und bei Kombucha.-Tee vermutlich sehr ähnlich aber möglicherweise unter Beteiligung anderer Bakterien.

Da dieser Fermentations-Prozess zu einem Ergebnis führt, das man konsumieren will und da die Zeitspanne der Umwandlung des Alkohols relativ kurzfristig ist - man spricht von 8-14 Tagen - ist auch die Wachstumsphase des Gär-Pilzes in der haushaltsüblichen Kultur meist sehr begrenzt. Nach spätestens 2 - 6 Wochen wird so der Kombucha-Pilz bzw. die Essig-Mutter ausgetauscht und hat dann zumeist eine scheibenförmige Gestalt, die dem Durchmesser des Glasbehälters entspricht, welche für den Gäransatz verwendet wird. Die Schichtdicke des Pilzes, der sich in seinem Nährmedium durch scheibenförmige Teilung weitervermehrt, liegt weit unter 1 Zentimeter. und erinnert an das Aussehen einer Meduse oder Meeres-Schirmqualle

Was passiert nun aber, wenn man den Hefepilzdeckel auf dem Wein übersieht, beispielsweise wenn man den Wein aus irgendeinem Grund im Keller vergessen hat und erst 3 Jahre später wieder nach ihm schauen geht ? Ein Phänomen, das im CID Institut eingetreten ist, nachdem der während des ersten Pratikantinnen-Aufenthaltes von August bis Oktober 2018 hergestellte Wein über 36 Monate hinweg schlummerte, da die asiatische Biologin, die den Ansatz der im Botanischen Institutsgarten geernteten Weintrauben nach den traditionellen, georgischen Imeretianischen und Kakhetianischen QVEVRI-Wein-Methoden hergestellt hatte, nach einer zwischengeschobenen Spanien-Kurz-Reise nicht an ihren Praktikumsort zurückkehren konnte, weil ihr unterwegs sämtliche Reisedokumente abhanden gekommen waren. 

Doch im CID Institut geht nichts verloren und so hatten die Weinmütter, die sich allerdings nicht in den Glasballons mit den georgischen QVEVRI-Weinen bildeten, sondern in einigen der parallel hergestellten und in Weinflaschen abgefüllten fruchtschalenlosen Traubensäften - denen noch etwas Honig hinzugegeben worden war - 36 Monate Zeit, ihre Pilzkörper über das allgemein hin bekannte Medusen-Scheiben-Stadium hinaus zu entwickeln. Im Rahmen dieses Entwicklungsprozesses sind sehr ungewöhnliche Wein-Mutterformen entstanden, die am 22.12.2021 im CID Institut aus ihren Glasbehältern befreit und fotodokumentiert werden konnten.



Wein-Mütter nach 36 Monaten im Ergebnis der Weintrauben-Ernte
des Botanischen CID Instituts-Gartens von Oktober 2018


 

Die Wein-Mütter in den Weinflaschen entwickelten teilweise sehr unterschiedliche Grundformen. Zumeist bildeten sie eine Stab- oder Röhren-förmige Schlauchform aus, deren initialer Durchmesser vom Flaschenhals bestimmt war, wo der initiale Berührungskontakt des Fruchtsaftansatzes mit dem Sauerstoff stattfand und entwickelten sich dann als Tubus weiter abwärts bis hin zum Flaschenboden. Die Luftzufuhr war während er 36 Monate allerdings stark limitiert, da die Flaschen mit nicht fest zugedrehten Schraubdeckeln verschlossen waren. 





Der Fruchtkörper des so entstanden Lebewesens war zumeist schlauchförmig, wobei eine milchig-transparente Körperhülle die im Inneren des Schlauches erkennbaren Scheiben, die offensichtlich den scheibenförmigen Vermehrungsstadien des Pilzes entsprechen, sichtbar werden lässt.







In einigen Ansätzen entwickelten sich allerdings Wein-Mutterformen mit deutlich grösserem Durchmesser, beinahe von Flaschenweite, so dass die Körper der "Lebewesen im Wein" nicht mehr durch den Flaschenhals befreit werden konnten und das Aufbrechen der Flaschen notwendig wurde. Bei diesen Fruchtkörpern weiteren Durchmessers konnte allerdings dann auch die Entwicklung feinerer beziehungsweise komplexerer Körperstrukturen registriert werden. So sind in Bruchstellen-Bereichen der äusseren Schutzhülle, die den Scheiben-Körper-Aufbau im Inneren des Schlauches umgibt, faser- bzw. bänder-förmige Strukturen erkennbar, ähnlich, Bändern-, Sehnen, Gefäss-  oder Muskelgewebe. 






Ohne den Entwicklungsvorgang der Fruchtkörper genauer beobachtet, studiert und dokumentiert zu haben, wird hier davon ausgegangen, dass es sich bei den schlankeren tubulären Körperformen um die "Jüngeren" Stadien handelt, während die umfangreicher ausgebildeten Fruchtkörper als "Ältere" Entwicklungs-Stadien betrachtet werden. Bei diesen "Älteren" Lebewesen fanden sich sowohl in ihrer Ganzheit als auch in ihrem Inneren "fester" ausgebildete Detailstrukturen, die dem Körperbau eine grössere Kompaktheit mit einheitlich geformten aber auch untergliederten und unterschiedlich gefärbten Teilbereichen verliehen. 


















Im Inneren der Fruchtkörper dominierte jeweils der scheibenförmige Aufbau, doch konnten unterschiedliche Farben und Konsistenzen dieser "Scheiben" beobachtet werden, und unterschiedliche Formen und Verknüpfungen der "Scheiben" im Inneren des ummantelten Körpers registriert werden.









































In der Natur sind Körperentwicklungs-Stadien temporär begrenzte Etappen einer Metamorphose, also eines Körper-Umwandlungsprozesses im Verlauf der Lebensphase, der von einem Umgebungswechsel bzw. einem Wechsel der Umgebungsbedingungen begleitet ist. So findet die menschliche Embryonalentwicklung im Inneren des Mutterkörpers statt und führt nur zur bekannten Erscheinungsform des Lebewesens "Mensch", wenn mit der Metamorphose der Geburt ein Umgebungswandel und Wandel des Nährstoffzufuhr eintritt. Selbes gilt für die Umwandlung von Raupen zu Puppen und dann von Puppen zum Schmetterling bei Lepidopteren. Öffnet man eine Schmetterlingspuppe zur Unzeit, so findet man in ihrem Inneren nur eine einheitliche Flüssigkeit aber keine ausgebildeten Organe. 

Übertragen auf unsere Weinmütter mag sich die Frage stellen, was aus ihnen würde, würden sie die passenden Weiter-Entwicklungsbedingungen für ihre merkwürdigen Medusen-artigen Körperscheiben und Ummantelten Körper-Schläuche finden. Wir Menschen versklaven sie, unterjochen ihren Entwicklungszyklus dem Verwertungsinteresse, Essig, Tee oder Wein herzustellen. So bleiben sie unter "unserer" Regie eingesperrt im Zwischenstadium ihrer Körperentwicklung in Glasbehältern, welches uns Nutzen und Produkt bringt. Was würden sie tun, wenn sie aber als ganzer Körper ins Meer gelangen würden ? Korallenriffe bilden ? Welche Körperform würden sie entwickeln wenn sie im Rahmen geschützter Geburten zum richtigen Zeitpunkt in eine, ihrer weiteren Entwicklung angepasste Nährstoffumgebung gelangen würden ? Aus ihrer Hülle schlüpfen, Flügel ausbilden und wegfliegen ? Wurzeln und Früchte tragen ? In uns schlüpfen und weiterleben ?

Ein Wissen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch Naturvölkern vorbehalten wäre, wenn diesen nicht schon ihre Naturwissen mit G 5, Pegasus, facebook, Internet und iPhone verloren gegangen wären.



Fotos, Text und Redaktion :

Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger

https://cid-institut-de.blogspot.com/

Donnerstag, 23. Dezember 2021



Eine Schriftenreihe des 

Botanischen Gartens des CID Institutes in Weilmünster

https://botanischer-garten-cid-institut.blogspot.com/










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